Schwierige Arbeitszeiten, Unvereinbarkeit von Beruf und Familie – die klassische Argumentation, warum es so wenige Frauen in der Profiküche gibt, stimmt für Björn Grimm nur noch bedingt. Zum Weltfrauentag am 8. März verrät der Inhaber der Grimm Consulting – seit 20 Jahren als Berater in Hotellerie und Gastronomie erfolgreich – was sich noch ändern muss, damit Frauen häufiger den Weg in die Profiküche finden.
„Ich denke, wir büßen heute für die Fehler der Vergangenheit“, ist Björn Grimm überzeugt. „Vor 10 oder 20 Jahren hatte man noch ein anderes Verständnis, waren Männer noch dominanter vertreten.“ Im Ergebnis zeige sich heute immer noch ein Missverhältnis zwischen Männer- und Frauenanteil, weil es ein oder zwei Dekaden dauere, bis Veränderungen wirkten. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt etwas ändern. Wir müssen uns heute auf die jungen Menschen konzentrieren, damit sich die Wirkung in 10 Jahren entfalten kann.“
Diskussionen und Gedanken für eine bessere Work-Life-Balance gab es schon damals, doch das anzusprechen war verpönt. „Frauen waren sich dessen viel früher bewusst und haben andere Berufswege gewählt, schon allein, um die Familienarbeit zu bewältigen. Wir Männer sind da noch tradierter unterwegs.“ Grimm führt das auch zurück auf das eigene Erleben von Führungsmustern zahlreicher etablierter Köche während ihrer eigenen Ausbildung.
„Die Alten sind als Lehrlinge durch die Hölle gegangen, waren nichts wert, haben nichts verdient und unbezahlte Überstunden gemacht. Das erwarten sie dann ebenfalls von den jungen Leuten, die das Gleiche durchmachen sollen, damit aus ihnen was wird. Dabei muss man ganz klar sagen: Unsere Generation war so doof, dass wir das alles mit uns haben machen lassen. Statt aufzubegehren, haben wir uns selbst gefeiert. Die Frage ist aber doch: Warum haben wir uns ausbeuten lassen?“ Viele Ältere würden als Rentner:in die bittere Quittung bekommen, schon jetzt arbeiteten in der Branche viele Aufstocker:innen.
Neues Denken und Handeln gefordert
Die heutige Generation habe andere Ansprüche. „Und das ist gut und richtig so.“ Alt und Jung, Männer und Frauen müssten im Dialog die Bedingungen neu aushandeln. „Wir müssen weg davon, dass jeder nur seine eigenen Pfründe sichern will. Was wir brauchen, ist ein neues Mindset.“ Der kleinste gemeinsame Nenner sei hier aber nicht ausreichend. „Natürlich ist Geld ein Thema. Das kann aber auch Konflikte aufbauen.“ Für Ältere sei das oft schwierig, wenn wenig erfahrene Köchinnen und Köche mit besseren Konditionen starten würden.
„Sicher müssen wir diese gefühlte Ungerechtigkeit ernst nehmen. Auf der anderen Seite können wir nicht mit den Fehlern der Vergangenheit weitermachen. Die Mauer muss durchbrochen werden, wir können nicht Unrecht mit neuem Unrecht gutmachen.“ Dazu gehört aus Grimms Sicht auch, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. „Wenn ich höre, dass Frauen schlechter bezahlt werden, dann beschämt mich das.“
Lösungen sind gefragt
Führungskräfte müssten Lösungen finden, die allen guttun, Frauen und Männern. „In Personalgesprächen kann ich etwa fragen: Nenne mir drei oder vier wichtige Dinge, die Du in Deinem Leben umsetzen willst. Wo und wie können wir Dich dabei unterstützen?“ Sich auf gemeinsame und langfristige Ziele zu verständigen, sei ein erster wichtiger Schritt, so Björn Grimm.
„Lösungen gibt es viele, beispielsweise langfristige Zeitarbeitskonten, die für Weltreise, Elternzeit oder Sabbatical genutzt werden können. Was dem einen die Elternzeit ist, ist dem anderen ein dreimonatiger Besuch eines Kollegen auf der anderen Seite der Weltkugel. Wichtig ist, bei der Verfolgung persönlicher Ziele ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden. Es muss beiden Parteien nützen, wenn man sich engagiert.“ Und was entgegnet Björn Grimm den Skeptikern, die glauben, dass solche Veränderungen nicht möglich sind? „Ich stelle Gegenfragen: Was genau geht denn nicht? Nur wenn ich Fakten schaffe, kann ich in Lösungen denken. Damit kommen wir dann immer weiter.“
ÜBER BJÖRN GRIMM
Der KÜCHE-Kolumnist ist Mitglied der Geschäftsleitung eines Hotelbetriebes in Norddeutschland und berät als Inhaber der Grimm Consulting seit 20 Jahren erfolgreich mittelständische Gastronomen und Hoteliers.
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