Worldskills Germany, die Förderinitiative für nationale und internationale Berufswettbewerbe, hat für die Euroskills 2021 gemeinsam mit VKD-Mitglied Thorben Grübnau den ersten virtuellen Nachwuchskochwettbewerb ins Leben gerufen. Wir haben Hubert Romer, Geschäftsführer bei Worldskills Germany, dazu interviewt.
Interview Petra Münster
KÜCHE: Herr Romer, im Vorfeld der Euroskills 2021 – der Europameisterschaft der Berufe – veranstalten Sie den „ersten virtuellen Kochwettbewerb für Azubis und Jungköchinnen und -köche“. Was hat es damit genau auf sich?
HUBERT ROMER: Wir wollen die Gelegenheit nutzen, die durch die Covid-19-Situation entstanden ist, zu schauen, was man eigentlich auf dem Weg von der Anmeldung zu einem Wettbewerb bis hin zur Teilnahme an Berufe-Weltmeisterschaften online und virtuell machen kann. Was muss live sein, kann aber dezentral geschehen, und was muss unbedingt an einem realen, zentralen Ort durchgeführt werden. Entstanden ist ein hybrides System, bei dem wir von allen Elementen das Beste übernehmen.
Thorben Grübnau – ehemaliges Mitglied der Köche-Nationalmannschaft und aktueller Teammanager der Regionalmannschaft Niedersachsen – unterstützt Sie dabei. Was genau ist sein Part?
Thorben Grübnau ist Mitglied einer wichtigen Arbeitsgruppe bei Worldskills Germany, die die einzelnen Phasen des Trainierens, des Lernens und der einzelnen Wettbewerbe bis ins Detail unter die Lupe genommen hat. Die Begeisterung von Thorben Grübnau hat uns sofort mitgerissen, sodass wir schnell bereit waren, gemeinsam einen solchen Kochwettbewerb vollkommen neu zu denken.
Und wie läuft der virtuelle Kochwettbewerb genau ab?
Man könnte zunächst annehmen, dass sich ein Kochwettbewerb nicht virtuell durchführen lässt. Aber wir haben in den letzten Wochen festgestellt, dass uns der virtuelle Raum Möglichkeiten bietet, die wir bisher nur nicht genutzt haben. Mit dem Wettbewerb können Auszubildende und junge Köchinnen und Köche ab 10. August 2020 an vier voneinander unabhängigen Wettbewerbstagen in Anlehnung an eine Ausbildungsprüfung verschiedene Aufgaben bearbeiten. Von Theoriefragen über Rezepterstellung bis zur Erstellung eines kurzen Videos ist alles dabei.
Thorben Grübnau wird den Wettbewerb mit seinem Team überwachen. Auf jeden Fall wird es spannender und erlebnisreicher als eine Prüfung, wie man sie normalerweise kennt! Am Ende können die jungen Fachkräfte ihrer Karriere am Herd einen gewaltigen Schub geben und sich den Traum von der Teilnahme an der Europameisterschaft der Berufe im österreichischen Graz erfüllen. Das Beste an der Wettbewerbs-Premiere: Die Öffentlichkeit kann sich die Videos, die im Rahmen der Wettbewerbsphasen entstehen, online anschauen und mitfiebern. Das große Finale – Live-Koch-Events, bei dem jede/r Finalist/in noch einmal Dampf gibt – soll ebenfalls im Internet erlebbar werden.
Welche technische Ausstattung brauchen die Nachwuchsköchinnen und -köche, um erfolgreich an Ihrem Wettbewerb teilnehmen zu können?
Die Teilnehmer benötigen im Grunde genommen nur einen entsprechend ausgestatteten Arbeitsplatz, einen Computer/Laptop sowie eine Kamera bzw. ein Handy, um selbst kurze Videos erstellen zu können.
Wie gewährleisten Sie, dass die Jury, die anders als bei einem klassischen Kochwettbewerb hier nicht vor Ort ist, die Leistungen der Teilnehmer im vollen Umfang beurteilen kann?
Die Bewertungskriterien sind so gewählt, dass die Teilnehmer/innen auch mit diesem System bewertet werden können. Dabei wird der Fokus einzelner Aufgaben sicherlich etwas anders sein als im Vergleich zu klassischen Wettbewerben. Zum großen Finale (in Graz) wird es natürlich auch eine Jury vor Ort geben.
Bei den Euroskills- und Worldskills-Wettbewerben geht es ja nicht nur um Köche, die sich auf internationalem Niveau miteinander messen. Welche Erfahrungen haben Sie in anderen Berufsdisziplinen mit virtuellen Wettbewerben gemacht?
Naturgemäß haben die IT-Berufe schon sehr früh mit solchen virtuellen Wettbewerbsmodulen begonnen und sehr gute Erfahrungen gemacht. Aber auch andere Disziplinen haben seit geraumer Zeit ihre Wettbewerbe in Module zerlegt und einige Bereiche in die virtuelle Welt verlegt. Überraschenderweise eröffnen sich dabei ganz neue Möglichkeiten, die man bisher nicht im Blick hatte. Die Kunst ist, genau zu ermitteln, was in der virtuellen Welt möglich ist und was ggf. hilft, die Qualität und auch die Öffentlichkeitswirksamkeit zu steigern, und was auf der anderen Seite in der realen Welt verbleiben muss. Wie gesagt, ein solches hybrides System kann viele neue Ideen und Inspirationen liefern.
Deutschland gilt immer noch als digitales Entwicklungsland (siehe Titelthema in KÜCHE 7/20). Inwieweit glauben Sie, dass virtuelle Wettbewerbe wie die Euroskills der Digitalisierung in den Ausbildungsberufen hierzulande einen Schub verleihen können? Diese virtuellen Ansätze, die wir haben, verblüffen zunächst einmal. Denn man kann mit einfacheren digitalen Mitteln und Gerätschaften solche Wettbewerbe durchführen, als gedacht. Sie sind von Pragmatismus geprägt. Ich glaube auch nicht, dass wir wirklich ein Entwicklungsland in digitaler Sicht sind. Wir wollen immer nur alles absolut perfekt und in fest vorgegebenen Rahmen und Normen haben. Die Lösung heißt aber: einfach machen, Erfahrungswerte sammeln und weiterentwickeln. Unsere jetzigen digitalen Ressourcen erlauben sehr viel! Wichtig ist auch, nicht alles nur virtuell zu machen, sondern von Allem das Beste zusammen zu packen.
Vielen Dank für das Gespräch.
HUBERT ROMER
Hubert Romer (Jahrgang 1966) war nach dem Studium der Fachrichtungen Geschichte, Geografie, Medienkommunikation zunächst als Journalist und Berater tätig, bevor er mit KMR Kommunikation|Marketing|Romer eine Agentur gründete. Seit 2013 ist Hubert Romer Geschäftsführer von Worldskills Germany e.V.