Kolumne von Stevan Paul: Kommt ein Veganer ins Restaurant …

Stevan Paul: "In meiner Lehrzeit galten Vegetarier – Veganer waren Ende der 80er noch weitestgehend unbekannt – als Störfall im Küchenablauf." Foto: Stevan Paul
Stevan Paul 14.08.2024 MAGAZIN  |  Karriere

In meiner Lehrzeit galten Vegetarier – Veganer waren Ende der 80er noch weitestgehend unbekannt – als Störfall im Küchenablauf. Hektisch wurde Hollandaise aufgeschlagen, das wertvolle Mise en place aus geschnitzten Gemüsen auf einen Teller drapiert. Heute sind wir zum Glück ein paar Schritte weiter. Die Industrie übertrifft sich mit immer fleischähnlicheren Imitaten, kürzlich habe ich ein Steak aus dem Drucker der Firma Redfine Meat probiert:In Schichten kombiniert der Drucker pflanzliche Produkte mit Namen wie MeatTM, Alt-MuskelTM, Alt-FettTM und Alt-BlutTM nach geschützten Rezepturen zu kompakten Stücken. Die Textur der Druckerzeugnisse ähnelt der von Fleisch. Das „Flanksteak“ lässt sich in Fasern zerteilen, insbesondere die dickeren Scheiben überzeugen mit fleischigem Biss. Ansonsten kommt es bei Fleischersatzprodukten wie „Chicken“ oder „Burger Patties“ aus Erbsenprotein vor allem auf die Konsistenz und eine geschickte Würzung an. Ich bin immer wieder überrascht, wie gleichgültig es z. B. bei einem Chili ist, ob er mit Hackfleisch oder Sojaschnetzeln zubereitet wird.  

Natürlich sind diese hoch verarbeiteten Lebensmittel auch kritisch zu sehen, aber als Alternative funktionieren sie längst auf vielen Speisekarten und Buffets. Um das Profil der eigenen Gastronomie zu schärfen, bedarf es jedoch etwas mehr. Da der Fleischkonsum allgemein zurückgeht und gleichzeitig Allergien zunehmen, bieten vor allem in der gehobenen Gastronomie immer mehr Betriebe ein vegetarisches Menü an. Es unterscheidet sich nur unwesentlich vom „normalen“ Menü und ist oft genug auch gluten- und laktosefrei. Es braucht vielleicht etwas mehr Zeit in der Planung, erspart aber Diskussionen und Erklärungen am Tisch, alle Gäste werden automatisch mitgenommen.  

Andere stellen gleich auf vegetarische oder vegane Küche um und suchen neue Herausforderungen im Bereich Plant-based: Im Berliner Sternerestaurant Horváth pflegt Vorreiter Sebastian Frank seit Jahren seine kraftvolle und ausdrucksstarke „emanzipierte Gemüseküche“, die „… ebenbürtig auch in Kombination mit fleischlich basierten Aromen und Würzungen gleichberechtigt Geschmack, Konsistenz und Textur mitbring[t].“ So erklärt der Wahlberliner mit österreichischen Wurzeln seine Philosophie auf der Homepage des Restaurants. Und vor den Toren Hamburgs schöpft Matthias Gfrörer vom Gut Wulksfelde aus dem Vollen. Seine Speisekarte bietet eine raffinierte Gemüseküche – gereiftes Bio-Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte können auf Wunsch aus der „Beilagenkarte“ dazubestellt werden. Beispiele, die zeigen, dass die Beschäftigung mit der vegan-vegetarischen Küche durchaus zur Schärfung des eigenen Profils beitragen und sogar die Philosophie eines Restaurants prägen kann. Dabei helfen Techniken wie Fermentation, Produkte wie Pilze, Garum, Shoyu oder Dashi, die eine herrliche Fleischigkeit in die grüne Küche bringen. Vor allem aber ist Wissen der Schlüssel zu einer Küche jenseits des Fleischersatzes. Eine Ausbildung zum vegan-vegetarischen Koch gibt es noch nicht, zumindest aber Angebote für Zusatzqualifikationen. Angesichts einer wachsenden Gruppe junger Gäste, die gerne plant-based genießen, wäre es richtungsweisend, die Ausbildungsordnung für Koch/Köchin zu überdenken und neu zu formulieren. Das fordert jetzt auch eine Petition um den Koch und Kochbuchautor Matthias Biehler (Vitamin V – Lehrbuch der vegetarischen und vegane Küche), die online zu finden ist. Eine vegetarisch-vegan-basierte Ausbildung wäre dabei eventuell auch ein wichtiger Schritt, um das Problem des Nachwuchs- und Fachkräftemangels zu lösen. 
Ihr Stevan Paul

www.stevanpaul.de