Corona und die Folgen haben zweifellos die gesamte Gastro-Branche schwer getroffen. Doch während das Geschäftsmodell der klassischen Gastronomie, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, vom Prinzip her nach wie vor funktioniert, ist das der Betriebsgastronomie grundsätzlich ins Wanken geraten.
Homeoffice und Kurzarbeit schwächen die Betriebsgastronomie. Einiges spricht dafür, dass Homeoffice auch „nach Corona“ sowohl bei den Arbeitnehmern als auch den Arbeitgebern begehrt sein wird. Obwohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Homeoffice von der Betriebsgastronomie verpflegt werden könnten, ist der Boom des Arbeitens von zu Hause aus keine gute Nachricht für die Kantinen-Teams. Hinzu kommen Kürzungen bei den Kantinenzuschüssen, zu denen viele Unternehmen in der Krise greifen. Ferner steht das Betriebsrestaurant als Ganzes häufig auf der Streichliste, wenn sich ein Unternehmen noch umfangreichere Sparmaßnahmen überlegen muss. Da wo die Betriebsrestaurants wieder geöffnet haben, ist aufgrund der Abstandsgebote und anderer Hygienevorgaben deutlich weniger Umsatz vorprogrammiert. Die Gästezahl wird coronabedingt zwangsweise reduziert. Auch gibt es viele potenzielle Gäste, die derzeit aus Angst vor Ansteckung oder aufgrund von Unzufriedenheit mit der Hygiene- und Abstandspraxis einen Bogen um die Kantine machen. Ebenfalls problematisch: Externe Gäste, die zuvor erheblich zum Umsatz beigetragen hatten, werden in vielen Fällen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr zugelassen.
Standbein Konferenzen wackelt
Darüber hinaus macht der Betriebsgastronomie zu schaffen, dass das hausinterne Seminar- und Konferenzgeschäft häufig nur noch auf Sparflamme läuft. Wohin die Reise hier voraussichtlich geht, wurde im zweiten Quartal bei einer Personalleiterbefragung durch den Personaldienstleister Randstad herausgefunden. Demnach planen 64 Prozent der Befragten die vermehrte Nutzung virtueller Konferenzen bei internen Abstimmungsprozessen. Angesichts der Corona-Pandemie haben 23 Prozent der Unternehmen digitale Tools zur Kommunikation und Zusammenarbeit neu eingeführt. 59 Prozent der Personalverantwortlichen wollen seltener zu Vorort-Meetings einladen. Immerhin zeigen die Befragungsergebnisse aber auch, dass 28 Prozent der Befragten die persönliche Abstimmung im gleichen Umfang wie zuvor nutzen. Präsenztermine kategorisch auszuschließen, scheint für viele Geschäftsbereiche dann doch nicht praktikabel zu sein. Wirtschaftliches Arbeiten der Betriebsgastronomie dürfte unter diesen Rahmenbedingungen schwierig werden.
Nutznießer Foodtrucks und Automatenwirtschaft
Foodtruck-Betreiber könnten zu den Profiteuren der Krise der klassischen Betriebsgastronomie gehören. Ein Beispiel hierfür ist der Caterer We Celebrate mit Sitz in Frankfurt am Main, eine Marke der Celebrate Streetfood Catering & Event GmbH. Dieses Unternehmen ist mit einer Flotte von 14 mobilen Küchenfahrzeugen bundesweit im Einsatz und bewirtet mehr als 500.000 Gäste pro Jahr. Seit die Corona-Pandemie zum bestimmenden Thema geworden ist, verzeichnet We Celebrate immer mehr Anfragen von Firmen, die eine Lücke in der Betriebsverpflegung schließen müssen, etwa weil die hauseigene Kantine aufgrund von Corona ausfällt. Innerhalb von 24 Stunden kann ein Foodtruck zur Stelle sein und in diese Bresche springen. Bis zu 1.500 Personen pro Tag werden so versorgt. Geboten werden täglich wechselnde Angebote aus jeweils einem Fleisch-, einem Fisch sowie einem vegetarischen/veganen Gericht. Spezielle Zielgruppe sind Großunternehmen.
Ein anderer Nutznießer der Corona-Pandemie ist womöglich die Automatenwirtschaft. Die konnte zuletzt einen Gesamtumsatz von 2,97 Milliarden Euro erzielen. Mit einem Anteil von 71 Prozent wird der Hauptumsatz durch den Verkauf von Heißgetränken erreicht. 62 Prozent der Automaten sind für Heißgetränke konzipiert und 22 Prozent für Kaltgetränke. 13 Prozent der Automaten „spucken“ Snacks und Food aus. An dieser Stelle sieht der Bundesverband der Deutschen Vending-Automatenwirtschaft (BDV) noch viel Potenzial. Der BDV weist daraufhin, dass annähernd 90 Prozent der Automaten in Betrieben und Unternehmen stehen. Der Verband stellte schon „vor Corona“ fest: „Dank Digitalisierung und automatisierter Produktionsabläufe müssen immer weniger Menschen schwere körperliche Arbeit verrichten. Die Veränderung der Arbeitswelten zeigt sich auch im Essverhalten der Mitarbeiter.“ Der Trend geht nach den Erkenntnissen des Bundesverbandes der Deutschen Vending-Automatenwirtschaft weg von den klassischen drei Mahlzeiten hin zu mehreren kleinen Snacks. Viele dieser Mahlzeiten sind bereits über Automaten verfügbar – und das rund um die Uhr.
Verstärkter „Greta-Effekt“
Dass sich die veränderten Arbeitswelten auf das Essverhalten der Gäste auswirkt, diese Beobachtung macht auch der Verein Food & Health, der 2020 bereits zum dritten Mal die „50 besten Kantinen Deutschlands“ sucht. Dabei geht die Entwicklung in Richtung eines vermehrten Gesundheitsbewusstseins. Flankiert wird das Gesundheits-Plus von einem vermehrten Interesse der Gäste an Nachhaltigkeit und Transparenz. Vereinsvorsitzende Theresa Geisel spricht in diesem Zusammenhang mit Verweis auf Klimaaktivistin Greta Thunberg vom „Greta-Effekt“. Der sei in der Gemeinschaftsgastronomie angekommen. Corona spielt ihm in die Karten, weil die Kantinenbesucher kritischer und sensibler werden. Auch das müssen die Kantinenverantwortlichen bedenken, wenn sie sich an die Neuordnung der Betriebsgastronomie machen.
Die vollständige Artikelserie zu Thema „Kantine in der Krise“ ist erschienen in KÜCHE 10/20.