Das Casino des Versicherungsunternehmens Swiss Life in Garching ist Praxispartner des Forschungsprojekts „BiTe – Biodiversität über den Tellerrand". Im Zentrum steht die Optimierung des Menüangebots, um einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten. Eine Erfolgsgeschichte aus der Großküche.
„Wir verändern etwas – auf dem Feld, in der Küche und in den Köpfen”, zeigt sich Klaus Hassenpflug, Küchenleiter bei Swiss Life, überzeugt. Seit 2022 ist das Betriebsrestaurant Praxispartner im Verbundprojekt “BiTe – Biodiversität über den Tellerrand”, ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt. Ein Konsortium aus mehreren Universitäten, Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten geht gemeinsam mit Küchenbetrieben der Frage nach, wie sich Speisenangebote in der Außer-Haus-Verpflegung auf die Biodiversität auswirken und welche Optimierungspotenziale sich für den Erhalt der Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten ergeben. „Mit durchschnittlich 400 Essen pro Tag sind wir zwar eher ein kleiner Praxispartner”, so Hassenpflug, „dafür zeigen wir aber, dass wir als Eigenregiebetrieb besonders flexibel reagieren können, zum Beispiel in Bezug auf Wareneinkauf, Speiseplanung oder Resteverwertung.”
Was passiert in BiTe?
Das Projekt untersucht, wie sich das Speisenangebot nachhaltiger und biodiversitätsschonender gestalten lässt. Gleichzeitig erproben die Fachleute, wie die Nachfrage der Gäste für ein nachhaltigeres Menüangebot gesteigert werden kann. Im Projekt wurde dafür ein Indikator entwickelt, der den potenziellen Artenverlust pro Zutat sowie kumuliert für ein gesamtes Gericht darstellen kann. Klaus Hassenpflug hat dafür gemeinsam mit seinem Küchenteam die Zutaten aller Rezepturen genauestens unter die Lupe genommen. Die Küche hat eigenständig Messungen durchgeführt und Daten und Erfahrungen an das Forschungsteam zurückgegeben. „Uns wurde dafür der NAHGAST-Rechner zur Verfügung gestellt, ein Bewertungstool, mit dem Küchenbetriebe anhand verschiedener Umweltindikatoren eine Nachhaltigkeitsbewertung ihres Speisenangebotes vornehmen können”, erläutert Hassenpflug.
Mit der Teilnahme am Projekt hat sich in der Küche einiges verändert. „Wir haben schon vor dem Projekt sehr wenig Convenience-Ware eingesetzt, jetzt kochen wir so gut wie alles frisch”, sagt Küchenleiter Hassenpflug. Ihm war klar, dass die Teilnahme an BiTe einen großen Aufwand darstellt. „Es ist eine Riesenaufgabe, über drei Jahre Partner in einem wissenschaftlichen Projekt zu sein.” Mit einer ersten Analyse eines Wochenspeiseplans landete die Bewertung vieler Menüs erstmal im roten Bereich. „Und das, obwohl wir schon viel Bioware einsetzten. Kritisch waren zum Beispiel Linsen, die oft aus Übersee kommen, die wir dann gegen regionale Linsen ausgetauscht haben. Wir haben unser Einkaufsverhalten total verändert, mussten anfangs viel recherchieren. Eine zentrale Erkenntnis: Wenn nichts auf dem Produkt draufsteht, ist es schon mal schlecht. Gute Produkte sind auch gut gekennzeichnet.” Kichererbsen-Tofu aus Brandenburg, Erbseneiweißproteine aus Deutschland für das vegetarische Burgerpattie – Klaus Hassenpflug ist begeistert. „Wir haben soviel gelernt und neue Hersteller kennengelernt. Vor fünf Jahren haben wir mit einer Handvoll Großisten gearbeitet, jetzt stehen wir in engem und gutem Kontakt mit etwa 20 Lieferanten und Direkterzeugern, die lokal und nachhaltig produzieren.”
Gute Startchancen
Dabei hatte Swiss Life insgesamt gute Startchancen für die Projekteilnahme. „Seit Corona hatten wir bereits einen hohen Anteil vegetarischer und veganer Menüs im Speisenplan. Das war unser Vorteil, denn BiTe hat gezeigt, dass gerade tierische Produkte hohe Biodiversitätsverluste verursachen können.” Nach der Optimierung von Zutaten und Rezepturen fanden Aktionswochen zur Akzeptanzmessung bei den Gästen statt. „Der optimierte Menüplan schnitt bei den Mitarbeitenden sehr gut ab, allerdings gab es im Vorfeld auch Proteste. Viele Gäste fürchteten einen Verlust, das konnten wir entkräften.“ Verkaufszahlen und Gäste-Feedback geben ihm recht. „Wir stellen den Genuss in den Vordergrund, es ist entscheidend, dass es schmeckt.” Seit Mitte 2023 können alle Casino-Gäste die Biodiversitäts-Beurteilung ihres Wahlmenüs auf dem Speiseplan und in der Ausgabe erkennen. „Unser Arbeitgeber hat diese Entwicklung nicht nur mitgetragen, sondern die nachhaltige Verpflegung der Mitarbeitenden als ein zentrales Unternehmensziel erklärt. So konnten wir uns Schritt für Schritt zur biodiversen Kantine entwickeln”, resümiert Klaus Hassenpflug. „Durch BiTe sind viele Steine ins Rollen geraten, wir sind auf dem richtigen Weg.”
Auf einen Blick
Biodiverse Speiseplanung bei Swiss Life Garching
- Weiterentwicklung des pflanzenbetonten Speiseplans: Seit fünf Jahren ist der Mittwoch bei Swiss Life Garching fleischfrei. Der Anteil der Fleischgerichte im Speiseplan liegt bei 20 Prozent. Pro Woche sind 20 verschiedene Gerichte im Angebot, insgesamt sind es 200 Gerichte. Eine Rezeptbibliothek für die Gäste gibt es im Internet.
- Das Küchenteam entwickelt eigene vegetarische-und vegane Gerichte, statt hochtechnologisierte Convenience-Produkte zu verwenden. Der Bio-Anteil liegt im Sommer bei 50–70 Prozent, im Winter bei 30 Prozent, da möglichst auf Treibhausware verzichtet wird. Hoher regionaler Warenanteil.
- Die Umstellung hat zu einer Änderung des Ernährungsverhalten der Gäste geführt: Die Auswertung des Kassenberichts zeigt, dass die Gäste zu 66 Prozent vegan-vegetarisch wählen, gegenüber 34 Prozent Fleisch bzw. Fisch.
- Die Speisen werden nicht warmgehalten, sondern ständig in kleinen Chargen produziert. Dadurch erhalten die Gäste frischere Speisen, Überproduktion entsteht fast nicht.
- Die Gäste können Reste ihres Gerichtes in Pfandboxen mitnehmen. Im Angebot sind auch halbe Portionen.