Hanni Rützler gilt als führende Trendforscherin für die Bereiche Lebensmittel und Ernährung. Die Ernährungswissenschaftlerin und ehemalige Lehrbeauftragte, Mitbegründerin des Verbandes der Ernährungswissenschaftler Österreichs (VEÖ) und Ex-Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), ist auch durch den jährlichen „Food-Report“ bekannt geworden.
Wir haben Hanni Rützler nach Trends und Trendbewusstsein gefragt.
KÜCHE: Wie trendbewusst sind die deutschen Köche nach Ihrem Eindruck? Sind sie aufgeschlossen und begierig nach Neuem und Innovativem – oder doch eher zurückhaltend bei diesem Thema?
Rützler: Zunächst: „Die“ deutschen Köche gibt es nicht. Die Gastrolandschaft ist auch in Deutschland sehr differenziert. Die Spitzengastronomie ist innovativ. Auch viele Betriebskantinen sind gegenüber neuen Entwicklungen sehr aufgeschlossen. Die durchschnittliche Hotelgastronomie orientiert sich aus meiner Sicht zwar oft an Trendphänomenen, bleibt dabei aber vielfach zu oberflächlich. Die erfolgreiche Orientierung an Trends setzt aber voraus, dass man sie authentisch, mit Überzeugung und Leidenschaft vollzieht. Vor allem: Nicht jeder Trend passt zu jedem Betrieb.
Nicht jeder Trend passt zu jedem Betrieb
KÜCHE: Von allen Trends, die Sie zurzeit im Auge haben – welcher ist Ihrer Ansicht nach am aufregendsten, spannendsten, interessantesten?
Rützler: Wirklich spannend ist für mich der Trend, der sich anschickt, unter dem Begriff „Plant Based Food“ Karriere zu machen. Darin kulminieren verschiedenen Entwicklungen der letzten Jahre, die zu einer nachhaltigen Veränderung unserer Esskultur und damit auch der Gastronomie führen werden: der Megatrend Gesundheit, der Veganismus, die wachsende Skepsis gegenüber der industriellen Fleischproduktion, spannende Innovationen bei der Entwicklung neuer, aus pflanzlichen Rohstoffen entwickelten Lebensmitteln und – für die Gastronomie besonders entscheidend – der neue Umgang mit Gemüse und Getreideprodukten.
KÜCHE: Studien und Trendberichte zu Food-Entwicklungen gibt es ja so einige am Markt. Was unterscheidet Ihren Food-Report davon und warum sollte man ausgerechnet für ihn Geld ausgeben?
Rützler: Mein Zugang zu Trends unterscheidet sich von vielen anderen. Da gibt es viele, die bloß die Suchmaschine in Gang werfen und das Internet nach gerade häufig genannten Begriffen oder Produkten absuchen. Sie können Moden und Produkt-Hypes identifizieren. Und es gibt die klassischen Marktstudien, die Trends primär anhand von Umsatzentwicklungen und Konsumentenbefragungen festmachen. Sie bilden aber nur den Status quo und zurückliegende Veränderungen ab und versuchen, darauf basierend Prognosen für die Zukunft abzuleiten.
Blick auf den Wandel von Normen, Werten und Lebensstilen
Ich definiere Food-Trends als Antworten auf Sehnsüchte und Lösungsvorschläge für Probleme, mit denen Konsumenten in ihrem Essalltag konfrontiert sind. Daher genügt mir die Beobachtung von Umsatzentwicklungen nicht. Dafür muss man einen größeren und tieferen Blick auf unsere Esskultur werfen, auf den Wandel von Normen, Werten und Lebensstilen.