Dank gut gemeinter Förderprogramme der Bundesregierung zur Bewältigung der Coronakrise wähnen sich Unternehmer in vermeintlicher Sicherheit. Wie aber nicht aufeinander abgestimmte Programme zum Bumerang werden können, zeigt nachfolgendes Beispiel eines familiengeführten Gastronomiebetriebs in Niedersachsen.
Der familiengeführte in einer niedersächsischen Touristenregion gelegene Hotel- und Gastronomiebetrieb mit rund 70 Mitarbeitern erlitt durch die Corona-bedingten Betriebsschließungen und Betriebseinschränkungen erhebliche Umsatz- und Ertragseinbußen. So war etwa der Umsatz in den Monaten April/Mai 2020 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um 90 Prozent niedriger ausgefallen. Trotz intensiver Bemühungen von Unternehmen und Belegschaft seit der Wiedereröffnung wird der Jahresfehlbetrag erheblich ausfallen.
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der „Niedersachsen-Soforthilfe Corona mit finanzieller Unterstützung des Bundes“ bestand nicht, da die Mitarbeiterzahl über dem Schwellenwert lag. Seit März 2020 wird von der Möglichkeit der Unterstützung durch Kurarbeitergeld Gebrauch gemacht.
Komplexe Beihilferegelungen
Im Zuge der Inanspruchnahme weiterer Unterstützungsprogramme ist das Unternehmen aber in eine Situation geraten, wo es auf Grund der hochkomplexen Beihilferegelungen der verschiedenen Programme ohne Absicht und Kenntnis mögliche Beihilfegrenzen überschritten haben könnte. Damit droht dem Unternehmen, dass es, trotz Krise und fortlaufender Hilfsbedürftigkeit, erhaltene Förderungen zurückzahlen muss und weitere notwendige Hilfen nicht in Anspruch nehmen kann.
Das Problem besteht vor allem darin, dass die Zuordnung der einzelnen Unterstützungsmaßnahmen zu den Beihilferegelungen und die Beihilfehöchstgrenzen nur mit größtem Aufwand erkennbar sind. Im Einzelnen:
1. Überbrückungshilfe
Im August 2020 wurde ein Antrag auf Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen („Überbrückungshilfe Corona“) für die Monate Juni, Juli und August gestellt. Im September wurde die beantragte Überbrückungshilfe in Höhe von knapp 150.000 EUR gewährt. Grundlage und Bestandteil dieses Gewährung waren u.a. die geänderte Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Geänderte Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), von der Europäischen Kommission unter der Beihilfennummer SA.56974 (2020/N) genehmigt.
In den Nebenbestimmungen heißt es dort: „Eine Kumulierung der Überbrückungshilfe mit öffentlichen Darlehen ist zulässig. Leistungen aus anderen Corona-bedingten Zuschussprogrammen des Bundes, der Länder und der Kommunen werden auf die Leistungen dieser Überbrückungshilfe angerechnet, soweit die Fördergegenstände übereinstimmen und die Förderzeiträume sich überschneiden. Betriebliche Fixkosten können nur einmal erstattet werden. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass durch die Gewährung der Überbrückungshilfe der nach der Geänderten Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 einschlägige Höchstbetrag unter Berücksichtigung der sonstigen auf der Grundlage dieser Bundesregelung gewährten Hilfen nicht überschritten wird. Eine Kumulierung mit dem Höchstbetrag für Beihilfen nach der De-Minimis-Verordnung ist zulässig, soweit die Vorgaben dieser Verordnung, einschließlich der Kumulierungsregeln, eingehalten werden.“
2. KfW-Unternehmerkredit – Nr. 047
Überschneidend mit dem Antrag auf Überbrückungshilfe wurde über die Hausbank ein zweckgebundenes Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW – KfW-Unternehmerkredit / KfW-Sonderprogramm 2020“ des Kreditprogramms 047 in Höhe von 800.000 EUR und einer Laufzeit von 10 Jahren beantragt, welches in der Folge auch gewährt wurde. Die Unterzeichnung des Darlehensvertrags erfolgte Ende August und damit im Zeitraum genau zwischen Antrag und Bewilligung der Überbrückungshilfe.
Im Kreditvertrag ist zum Thema Beihilfe folgende Regelung enthalten: Dieser Kredit wird auf der Grundlage der geänderten Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 „(Geänderte Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) (Genehmigung (EU) vom 11. April 2020, EU-ABl. C 2020/2365, Beihilfe Nr. SA 56974) bzw. der geänderten Regelung zur vorübergehenden Gewährung von Beihilfen für niedrigverzinsliche Darlehen und Direktbeteiligungen im Rahmen von Konsortialkrediten im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch v o r COVID-19 („Geänderte Bundesregelung Beihilfen für niedrigverzinsliche Darlehen 2020") (Genehmigung (EU) vom 11. April 2020, EU-ABI. C 2020/2365, Beihilfe Nr. SA 56974) gewährt. Die Fördervoraussetzungen des Programms sowie die dem Programm zugrunde liegenden beihilferechtlichen Bestimmungen der EU-Genehmigung des Programms sind im Programmmerkblatt dargestellt. Das Darlehen hat einen Subventionswert von EUR 800.000,00. Bezogen auf die beihilferechtlich förderfähigen Kosten von EUR 800.000,00 beträgt die Beihilfeintensität 100,0000 Prozent.
Fehlender Hinweis stiftet Verwirrung
Der Kreditvertrag gibt also zwei Beihilferegelungen an, unter die der KfW-Unternehmerkredit 047 fällt, die „Kleinbeihilfe 2020“ sowie die „Beihilfe für niedrigverzinsliche Darlehen“. Dem Kreditvertrag ist aber nicht zu entnehmen, welche im konkreten Fall einschlägig ist. Um dies herausfinden zu können, ist vielmehr das intensive Studium der Merkblätter und Kumulierungserklärungen des Darlehensvertrages notwendig. Gemäß dieser ergänzenden Unterlagen ergibt sich die einschlägige Beihilferegelung aus der Laufzeit des Kredits.
Der hier vom Unternehmen in Anspruch genommene Kredit in Höhe von 800.000 EUR fällt bei einer Laufzeit von mehr als 6 Jahren unter die „Kleinbeihilfe 2020“, bei einer Laufzeit von bis zu 6 Jahren aber unter die Beihilfe „niedrigverzinsliche Darlehen“. Im Kleingedruckten der Kumulierungserklärung steht zudem, dass „alle dem Unternehmen vom 19.03.2020 bis 31.12.2020 gewährten Beihilfen nach der „Geänderten Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ zusammen den zulässigen Höchstbetrag von 800.000 EUR nicht übersteigen dürfen“. Beihilfen der „Kleinbeihilfe 2020“ sind demnach auf einen Höchstbetrag von 800.000 EUR begrenzt, während die Beihilfegrenzen bei der „Beihilfe für niedrigverzinsliche Darlehen“ erheblich höher liegen.
Selbst für einen versierten Unternehmer war es nur unter großen Anstrengungen ersichtlich, dass es sich hierbei um eventuell mit der Überbrückungshilfe kollidierende Beihilfen handelt. Von externer Seite (wie der Hausbank oder der KfW) erfolgte kein Hinweis dazu. Die Entscheidung über die Kreditlaufzeit von 10 Jahren führte dazu, dass der Unternehmer durch die „falsche Wahl der Laufzeit“ in das gleiche Beihilfeschema wie die Überbrückungshilfe geraten ist und mit dem KfW-Unternehmerkredit die Beihilfehöchstbeträge schon voll ausgeschöpft hatte.
Damit wäre für die Überbrückungshilfe nach Gewährung des KfW-Unternehmerkredits kein Raum mehr, so dass eine der Beihilfen zurückgezahlt werden müsste. Dieses Problem wird durch die Berechnung des Beihilfewertes Seitens der KfW beim KfW-Unternehmerkredit noch verstärkt: Der Subventionswert des Darlehens wird hier mit dem Nennwert (vorliegend also mit EUR 800.000,00) und mit einer Beihilfe Intensität von 100 Prozent angegeben.
Nicht wirklich einleuchtend
Diese Festlegung leuchtet aber nicht ein: Der Beihilfewert ist der Vorteil den ein Unternehmen aus einer Beihilfe bezieht. Bei Zuschüssen wie der Überbrückungshilfe stellt die Höhe des Zuschusses den Beihilfewert dar. Bei zinsverbilligten Darlehen wird der Beihilfewert als Zinsvorteil festgelegt, der sich aus der Differenz zwischen Effektivzinssatz des Förderdarlehens und einem Referenzzinssatz errechnet.
Im Falle des KfW-Darlehen kommt zudem noch die teilweise Haftungsübernahme durch die KfW hinzu. In diesem Fall liegt die Beihilfe in der ersparten Aval Provision für eine Bürgschaft. Insoweit ist ein Beihilfeanteil beim KfW-Darlehen unzweifelhaft in Gestalt des Zinsvorteil und der ersparten Aval Provision gegeben. Dass dieser Subventionswert aber dem Nennwert des Darlehens entspricht ist gerade im Verhältnis zu den Beihilfen in Form von Zuschüssen nicht nachvollziehbar. Denn anders als die Zuschüsse ist das Darlehen ja vollständig zurückzuzahlen und darüber hinaus auch (wenn auch vergünstigt) verzinst.
Auch diese Regelung ist selbst für einen mit Förderprogrammen nicht unkundigen Unternehmer eher überraschend.
BJÖRN GRIMM
Der Inhaber der Grimm Consulting ist seit 20 Jahren als Berater und Trainer in der Hotellerie und Gastronomie erfolgreich und hat nach eigener Aussage mit seinem Team inzwischen mehr als 2.000 Betriebe beraten. Der Dipl. Touristikmanager, Hotelbetriebswirt und Hotelmeister verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, den er seinen Mandanten und Teilnehmern in Beratungen, Seminaren und Vorträgen weitergibt. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zählt die betriebswirtschaftliche und operative Beratung von Mittelstandsbetrieben.
Neben seiner Tätigkeit als Berater ist Björn Grimm in der Geschäftsführung eines norddeutschen Hotels/ Restaurants tätig und ist insofern vertraut mit den aktuellen Ansprüchen und Herausforderungen der Branche. Grimm arbeitet eng mit den Dehoga-Landesverbänden Hamburg und Niedersachsen zusammen und ist als Vizepräsident des FCSI Deutschland – Österreich e.V. tätig. Ausgezeichnet mit dem Top Consultant Award und zertifiziert mit dem ISO 20700 wird er zu den besten Mittelstandsberatern Deutschlands gezählt.
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