Olaf Hohmann vom EHI Retail Institute ist einer der führenden Experten für Handelsgastronomie in Deutschland. Im Interview spricht er über positive Entwicklungen, aktuelle Herausforderungen – und gibt Tipps, wie jüngere Gäste für die Handelsgastronomie gewonnen werden können.
KÜCHE: Herr Hohmann, worin liegt der besondere Reiz der Gastronomie im Handel?
OLAF HOHMANN: Die im Handel anzutreffenden gastronomischen Formate und Betriebstypen sind sehr vielfältig. Die Möglichkeiten, verzehrfertige Speisen in den Einrichtungen des Handels zu kaufen, beginnen mit dem Angebot der Foodtrucks auf den Parkplätzen der Handelsunternehmen, den Offerten in den Vorkassenzonen und den Convenience-Regalen des Lebensmitteleinzelhandels, den Delis und Cafés auf den Verkaufsflächen der Händler oder der Shoppingcenter und enden im Restaurant im Dachgeschoss – idealerweise mit Sitzplätzen auf der Außenterrasse.
Und was hat sie der klassischen Gastronomie vielleicht sogar voraus?
Der Großteil der gastronomischen Angebote im Handel zeichnet sich durch Effizienz und die Fähigkeit aus, große Menschenmengen schnell zu bedienen. Die Abläufe sind optimiert. So werden kurze Wartezeiten gewährleistet. Dies ist besonders attraktiv für Zielgruppen, die wenig Zeit haben und schnell eine Mahlzeit zum Beispiel in der Mittagspause benötigen. Dabei wird häufig auf standardisierte Rezepte und Prozesse gesetzt, um eine gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Gleichzeitig werden Speisen und Getränke zu erschwinglichen Preisen angeboten. Zu den Erfolgsfaktoren der Handelsgastronomie zählen neben Schnelligkeit und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis für die Kundschaft auch frequenzstarke und gut erreichbare Standorte.
Handelsgastronomie wird in der Regel mit einer schnellen, aber nicht unbedingt mit einer guten Küche assoziiert. Welchen Stellenwert hat das kulinarische Niveau in der Handelsgastronomie?
Das Angebot in der Handelsgastronomie ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu gehören die Lage beziehungsweise der Standort, die Kundenstruktur und -wünsche sowie die Ziele der Händler, die mit dem Angebot verfolgt werden. Zu den Zielen zählen beispielsweise Frequenzsteigerung, Kundengewinnung, Differenzierung vom Wettbewerb, Imagesteigerung oder Erhöhung der Verweildauer.
Die starke Markt- und Kundenorientierung hat dazu geführt, dass sich die Qualität der gastronomischen Angebote in den letzten Jahren deutlich verbessert hat und die einzelnen Formate differenziert betrachtet werden müssen. Während viele Angebote der Handelsgastronomie tatsächlich auf Effizienz und Schnelligkeit setzen, gibt es auch solche auf hohem kulinarischen Niveau, die diesem Stereotyp widersprechen. Es kann schnell gehen oder darf wie in den derzeit drei Sternerestaurants der deutschen Händler auch gerne mal etwas länger dauern und dabei äußerst köstlich sein. Letztendlich zeigt dies: Die Handelsgastronomie hat vielfältige Facetten, die von schnellen und erschwinglichen Optionen bis hin zu anspruchsvollen kulinarischen Erlebnissen reichen.
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich bei den Problemen ausmachen, mit denen die Handelsgastronomie und die klassische Gastronomie konfrontiert sind?
Der Personalmangel und die zunehmende Preisorientierung der Konsumierenden fordern die Händler am meisten heraus. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise haben auch die Handelsgastronomen dazu gezwungen Maßnahmen vorzunehmen, die die Profitabilität des Angebots sichern. Übermäßige Bürokratie und Regulierung können ebenfalls für die klassische und die Handelsgastronomie eine Belastung darstellen und die Flexibilität und Rentabilität des Betriebs beeinträchtigen.
Handelsgastronomiebetriebe haben oft den Vorteil von Skaleneffekten und verfügen über größere Ressourcen im Vergleich zu einzelnen Betrieben in der klassischen Gastronomie. Damit können die Gastronomieeinrichtungen des Handels insgesamt besser auf bestimmte Herausforderungen reagieren. Darüber hinaus sind die Arbeitszeiten für das Personal im Handel attraktiver, da in der Regel nicht bis in die späten Abendstunden und sonntags gearbeitet werden muss.
Die Handelsgastronomie hat offenbar ein Überalterungsproblem. Was sind die Gründe und wie können jüngere Gäste gewonnen werden?
Je jünger die Kundschaft ist, desto weniger wird in der Handelsgastronomie eingekauft. Das liegt daran, dass die jüngeren Altersgruppen oft unterschiedliche Präferenzen und Erwartungen an gastronomische Erlebnisse im Vergleich zu älteren Generationen haben. Um die jüngeren Zielgruppen zu gewinnen, sollte die Handelsgastronomie verschiedene Ansätze verfolgen. Dazu gehören das Angebot von gesünderen, vegetarischen, trendigen und weiteren zielgruppenaffinen Optionen im Speisenangebot, die Berücksichtigung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsaspekten sowie von innovativen Konzepten und Erlebnissen inklusive der Integration von Technologie zur Bestellung, interaktiven Elementen oder personalisierten Angeboten. Weil jüngere Generationen in sozialen Medien aktiv sind, kann eine starke Präsenz in digitalen Medien und gezieltes Social-Media-Marketing dazu beitragen, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen und sie für die Handelsgastronomie zu begeistern.
Inwiefern unterstützt das EHI-Handelsforschungsinstitut Gastronomen und Köche, die in der Handelsgastronomie tätig werden möchten?
Das EHI führt regelmäßig umfangreiche Marktforschungsstudien, Arbeitskreise, Store-Touren und Kongresse durch. Auf diese Weise werden die aktuellen Trends und Entwicklungen im Bereich der Handelsgastronomie erfasst, analysiert und diskutiert. Diese Erkenntnisse helfen, den Markt zu verstehen, Chancen zu identifizieren und gegebenenfalls fundierte Entscheidungen über das Gastronomiekonzept zu treffen. Die Ergebnisse veröffentlichen wir in unseren Studien, die über unsere Webseite www.ehi.org heruntergeladen werden können. Außerdem findet am 12. September 2024 in Köln das EHI Handelsgastronomie Forum statt (weitere Informationen siehe www.handelsgastronomie-forum.de). Gerne stehen wir für Fragen und Anregungen auch persönlich zur Verfügung.
Herr Hohmann, vielen Dank für das Gespräch.
ÜBER OLAF HOHMANN
Olaf Hohmann (55) ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Forschungsbereiches Handelsgastronomie beim EHI Retail Institute in Köln. Der gelernte Werbekaufmann und studierte Betriebswirtschaftler war zunächst als Verlagsleiter tätig, bevor er 2012 als Mitglied der Geschäftsleitung für den Geschäftsbereich Verlag/Medien zum EHI Retail Institute stieß. Das EHI ist ein wissenschaftliches Institut des Handels mit rund 850 Mitgliedern. Dazu zählen internationale Handelsunternehmen und deren Branchenverbände, Hersteller von Konsum- und Investitionsgütern sowie verschiedene Dienstleister. Seit 2017 trägt Olaf Hohmann beim EHI zudem die Verantwortung für den Forschungsbereich Handelsgastronomie. Hohmann hat als Co-Autor mehrere EHI-Studien, Whitepaper und Leitfäden verfasst, darunter „Handelsgastronomie in Deutschland“ und den Leitfaden „Gastronomieplanung im Handel“.
www.ehi.org
Mehr zum Thema „Handelsgastronomie“ lesen Sie in der KÜCHE 7/2024, die am 16. Juli erscheint.