Da liegt sie also auf dem Tisch, die Einladung zur Verleihung des zweiten Laurentius-Awards durch den VKD. Wie schnell doch ein Jahr vergeht. Diesmal trifft sich die Branche Ende September in Leipzig, um besondere Ausbilder:innen auszuzeichnen.
Schon die Anreise lässt einen schönen Verlauf erwarten – Leipzig ist eine tolle Stadt. Geschichte an fast jeder Ecke und ein Vorbild für Veränderung und Aufbruch. Bei einem kurzen Spaziergang wächst die Gewissheit, dass dies eine gute Ortswahl für einen solch wichtigen Abend ist. Kompliment an die Organisatoren des Events. Aber wie das so bei Preisverleihungen ist, gilt es sich zuerst in Geduld zu üben (s. KÜCHE, Seite 76). Der Spannungsbogen wird mit einem Impulsvortrag von Herrn Professor Dr. Josef Matzerath, einem Grußwort vom VKD-Präsidenten Daniel Schade, von Frau Staatsministerin Barbara Klepsch und wohlverdienten Ehrungen verlässlich aufgebaut. Wir lernen etwas über die Geschichte der Gastronomie, seit wann es Kochbücher gibt und wie sich die Tafelsitten im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Aus der Vergangenheit in die Gegenwart – das passt doch hervorragend zu diesem Abend. Was heute in der zeitgeistigen Gastronomie von den Spitzenköchen auf den Tellern angerichtet wird, setzt sich aus einer Vielzahl von Produkten unterschiedlichster Geschmacksrichtungen, Texturen, Farben und Formen zusammen und versetzt die Gäste oftmals in eine gewisse Unsicherheit, beim Verzehr etwas falsch zu machen, nicht an der richtigen Stelle zu beginnen und die angedachten Kombinationen nicht herauszufinden. Die Überraschung aber, so Professor Matzerath, kommt im Mund, wenn die Geschmacksnerven ihre Arbeit tun und aus dem Einzelnen etwas Vollkommenes, Rundes, ein Erlebnis wird. Dann lehnt man sich selig im Stuhl zurück und lässt dem Genuss freien Lauf.
Und genau so ist es eigentlich mit der Ausbildung junger Kollegen:innen im Kochberuf. Sie kommen auch mit einer Vielzahl unterschiedlicher Vorstellungen und Erwartungen. Sie starten am Tag X, werden direkt ins sogenannte „kalte Wasser“ geschubst und müssen so schnell es geht verstehen, wie der berühmte „Hase“ läuft, müssen akzeptieren, dass sich ihr Lebensrhythmus antizyklisch gegenüber einem Großteil ihrer Familie, ihrer Freunde:innen und Bekannten entwickelt und dass so manche lieb gewonnene Freizeitbeschäftigung nicht mehr so richtig dazu passen will. Und genau hier sollte die Arbeit der Ausbilder:innen beginnen. Hier sind sie gefordert, die jungen „Anvertrauten“ zu betreuen, ihnen Wege aufzuzeigen, wie man das alles unter einen Hut bekommt, und dabei die Flamme zu entzünden, aus der sich die Glut und Leidenschaft für den Beruf entwickelt. Wenn das geschafft ist, sind die größten Hürden aus dem Weg geräumt und eine konzentrierte Ausbildungszeit kann beginnen. Alexander Herrmann, der Mentor des diesjährigen Laurentius, hat dies im in ähnlicher Weise eingebracht. Er reflektierte die Zeit seiner Ausbildung mit der Situation von heute und dem sich völlig gewandelten Umfeld. Kurzweilig, mit Witz und dennoch ernstem Inhalt bekräftigte er den Bedarf an Ausbildung, an der Gewinnung von Nachwuchs und dessen Förderung. Mit seinen Erfolgen und seinem Bekanntheitsgrad ist er ein Vorbild für die jungen Kolleg:innen.
Aber ach, wie habe ich mir gewünscht, dass dies viele Auszubildende auch hätten hören und erleben dürfen, nämlich die Auszubildenden, über die den ganzen Abend mit gewichtigen Worten gesprochen wurde und die es erst durch ihre Berufswahl und ihr Durchhaltevermögen ermöglichen, dass Ausbilder sich für den Laurentius-Award empfehlen. Sie waren nur spärlich vertreten. Schade eigentlich. Denn junge, begeisterte und stolze Auszubildende würden der Veranstaltung gut stehen. Lassen wir sie doch teilhaben! Geben wir ihnen doch die einmalige Chance, mit hervorragenden und erfahrenen Berufskolleg:innen zu netzwerken. Gönnen wir ihnen auch eine schicke Kochjacke und lassen wir sie damit Werbung machen für den Beruf und die Arbeit des Verbandes. Und dann noch ein bisschen Party – das wäre ein unvergesslicher Abend. Vielleicht lässt sich ja auch bei den erfahrenen Kolleg:innen noch eine Flamme entzünden, die eine Glut entfacht für das Onboarding der Jugend beim Laurentius? Ich bin sicher, es würde eine Lawine auslösen. Und wenn es anfangs auch nur für ein „Lawinchen“ reichte, ein Anfang wäre damit zumindest gemacht.
Ihr Jürgen Gärtner
Jürgen Gärtner,
Küchenmeister und Hotelbetriebswirt, seit 46 Jahren in der Branche, seit 11 Jahren im Hause Edgar Fuchs GmbH für die Bereiche Business Development und Consulting verantwortlich.